0,0497 € für zufällig gefischte Abfälle
Im Herbst 2024 von Robert Asam
Die deutsche Sprache ist gerade wieder in Gefahr. Was mich betrifft, sorge ich mich da weniger. Kinder können wunderbar mehrsprachig aufwachsen, und meistens ist eine dieser Sprachen die Muttersprache. Unfreiwillig lustig wird es, wenn Bürokraten am Werk sind. Da kann dann schon manchmal etwas schiefgehen. Vor allem bei Übersetzungen. Übersetzt wird in den allermeisten Fällen in eine fremde Sprache. Sonst müsste man den Text nicht übersetzen. Unser Stieglitz hat unlängst einen technischen Bericht unter die Flügel bekommen und sich richtig geärgert über das, was er da lesen musste. Mir kann das nicht passieren. Ich lese keine technischen Berichte, ganz einfach, weil ich sie nicht verstehe. Nicht einmal dann, wenn der oder die Schreiber/in Literaturnobelpreis verdächtig wäre. Ich lese auch keine Rechnungen, die regelmäßig die Haushaltskasse belasten. Ein Fehler, sagt meine Frau. Frauen studieren offenbar Rechnungen und lesen sie Posten für Posten durch, weil sie wissen wollen, wie sich die Beträge zusammensetzen. Männer sind daran weniger interessiert und haben dafür mehr Zeit, die Sportzeitung zu lesen. So war das bis vor kurzem. Dann kam die Rechnung für den Müllsammeldienst, und dann kam meine Frau, die sie mir unter die Nase hielt. Hast du das gelesen? Natürlich hatte ich nicht. Es ging um einen Betrag von 0,0497 €. Diese Summe war Teil der Rechnung, weil es eine Ausgleichskomponente gibt, von deren Existenz vermutlich nur jene wissen, die einen Fischer in der Familie haben. Wir müssen 0,0497 € bezahlen für die „Ausgleichskomponente zur Deckung der Kosten der Bewirtschaftung der zufällig gefischten Abfälle“. Hast du die alte Waschmaschine in die Passer geworfen, habe ich meine Frau gefragt. Die Antwort war ein mitleidiger Blick. Dann gibt es nur eine Erklärung, sagte ich. Ein Fischer hat zufällig Müll gefischt, und dabei ist seine Angel kaputt gegangen. Wir müssen uns an den Kosten des entstandenen Schadens beteiligen. Wieder nur Mitleid. Ich hätte kein Problem damit, wenn von absichtlich gefischten Abfällen die Rede wäre. Das könnte Teil des Sammeldienstes sein. Für mich stellt sich jetzt die Frage: Lesen oder nicht lesen? Rechnungen, meine ich. Das Ende der Geschichte können Sie sich denken: Der Rechnungsbetrag wird mit Dauerauftrag abgebucht, also pünktlich bezahlt. In vollem Umfang, also auch die Ausgleichskomponente. So gesehen ist es völlig egal, ob ich die Rechnung gelesen hätte oder nicht. Im Gegenteil. Ich schlafe schlecht, weil ich in der Nacht aufwache und mich frage, wer da zufällig Abfälle fischt.