Die Klarissen und ihr Kloster
Im Herbst 2024 von Veronika Rieder
Wer die Schalterhalle der Volksbank betritt, das Frauenmuseum besucht oder den Durchgang vom Rennweg zum Supermarkt benutzt, befindet sich in der Kirche bzw. im Klostergebäude der Klarissen.
Wie Maria Steinach und Stams ist auch dieses Kloster eine Gründung der Tiroler Grafenfamilie. Gräfin Euphemia und ihr Mann Graf Otto stifteten es um 1290: „…. in der ere der heiligen Drivaltichait vnd vnser frowen sand Marien, der ewigen mait, mit gutem willen, wort vnd gunst vnser lieben herren vnd wirtes, des edeln herzog Otten von Chernden, in vnser stat an Meran ein chloster stiften vnd pawen wellen des ordens der heiligen junchfrawen sand Chlaren…“ Der Churer Bischof bestätigte die Schenkung und unterstellte sie dem Pfarrer von Tirol; später übernahmen Franziskaner, dann Kapuziner die geistliche Betreuung. Gräfin Euphemia sowie Elisabeth von Taufers schenkten dem Kloster Geld, Güter und Zinsen. Klarissen aus Thiersee besiedelten zunächst ein Haus am Rennweg neben der Katharinenkirche, welches sich bald als zu klein erwies. Daher ließen die Stifterinnen ein neues Haus gegenüber der Katharinenkirche am Kornplatz erbauen, auf Grund und Boden des Landesherrn (1310 vollendet). Die Katharinenkirche (heute Lebensmittelgeschäft im Erdgeschoss) ist an der Straßenseite nicht mehr als solche zu erkennen, vom Hof aus und innen lassen sich sehr wohl ursprüngliche gotische Elemente ausmachen. Der Neubau lag außerhalb der Stadtmauern, war trotzdem für die Gläubigen leicht erreichbar, bot genügend Platz für spätere Erweiterungen, konnte von der Meraner Bevölkerung als Zuflucht in Notzeiten genutzt werden und übernahm eine Schutzfunktion nahe dem Stadttor. M. Laimer verweist darauf, dass Bettelorden ihre Klöster oft außerhalb der Städte, aber nahe strategisch wichtiger Stadteingänge errichteten (z.B. Franziskaner in Bozen). Aufgrund dieser Lage verursachten die Stadtbrände 1339 und 1347 keine Schäden. Die Ausmaße der Klosterkirche zur Seligen Jungfrau Maria waren beachtlich: ca. 15 m hoch, über 45 m lang, ca. 11 m breit; damit übertraf sie bis ins frühe 15. Jh. die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus und zeugt von der Bedeutung Merans in dieser Zeit.
Ein beschaulicher Orden
Die Klarissen sind ein beschaulicher Orden, der von Franz von Assisi begründet wurde und sich in erster Linie dem Gebet widmet. Um 1300 gab es in ganz Europa 413 Klöster. Der Unterhalt wurde von der oft reichen Mitgift adeliger Frauen, Stiftungen und Zinsen bestritten. Allein im Burggrafenamt besaß das Meraner Kloster Häuser am Rennweg, Besitz in Mais, Gratsch, Passeier, Ulten, Mitterlana, Algund und Marling; landesfürstliche Freiheitsbriefe sicherten zusätzliche Privilegien. Die Äbtissin war Mitglied der Tiroler Landstände, was die Bedeutung des Klosters unterstreicht. Zur geistlichen Betreuung wohnten zwei bis drei Kapläne in einem eigenen Haus innerhalb des Klostergeländes.
Das Kloster erlebte bald Zulauf: Viele Chorfrauen stammten aus Tiroler Adelsfamilien – sie kamen nicht immer freiwillig, weil Klöster auch als Versorgungsstätte für Nachkommen Adeliger und später auch für Bürger angesehen wurden. Arbeiten in Haus und Garten oder dem unmittelbar dazugehörenden Grundbesitz oblagen Laienschwestern und Bediensteten.
Während der Bauernkriege, am 14.5.1524, wurde das Kloster geplündert. Die Chronik zählt die Namen von 18 Chorfrauen, 1 Novizin und 2 Schwestern auf, welche in die Kirche geführt wurden, während die Aufständischen um Beute stritten, die Kirche und die Vorräte plünderten. Viele der verschreckten und verängstigten Nonnen kehrten nach einiger Zeit ins Kloster zurück, das nun völlig verarmt war. Die Chronistin klagt, sie hätten „…. nit gehabt, daß sie hätten mügen ein subn salzen“ und hätten so unter der Armut „gelitten…, daß wir auf dem bloßen stroh gelegen […].“ In seiner Not wandte sich das Kloster an Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1564–1595), welcher mehrfach Spenden übersandte sowie den Landadel und die Stadt Meran zur Wohltätigkeit aufforderte.
Bis Ende des 16. Jhs. fehlen geschichtliche Nachrichten, doch erholte sich das Kloster wieder von den wirtschaftlichen Schäden, wovon auch die reiche Ausstattung der Marienkirche zeugte. Teile des Netzrippengewölbes sind in der Schalterhalle der Bank zu sehen. Vor dem Hochaltar, in der Mitte des Chores, stand Gräfin Euphemias prunkvolles Grabmal aus rotem Marmor in Form eines Altartisches. Bruderschaften, z.B. die Weber, ließen Bruderschaftsaltäre errichten. Viele Bürger und Adlige Merans ließen sich Begräbnisstätten errichten. Später wurden eine neue Orgel eingebaut und der Boden mit Marmor gepflastert. Die Nonnen beteten und wohnten der Messe vom Nonnenchor aus bei, also abgesondert von den Gläubigen.
Da die Katharinenkirche hingegen wenig Zulauf erfuhr, errichtete der Baumeister Stephan Mascardi (aus Worms = Bormio) 1603 einen Verbindungsgang vom Kloster über den Rennweg zur Kirche. Aus der Bittschrift der Äbtissin Regina Sanin: „Damit wenigstens das Kirchweihfest und das Patrozinium mit gebührlicher Besanknuß (Gesang) erhalten werden möge, sind wir… bereit, aus unserem Kloster zu der genannten Kapelle einen gemauerten Gang und Chor zu bauen. Dieser Bogen wird ca. 22 Werkschuh über dem Pflaster der Gasse geführt und in Kloster und in der Kirche eingelassen werden, wodurch also der Straße kein Abbruch geschieht.“ Nach dem Besuch Erzherzog Maximilians 1605 malte man den Bogen aus, ließ Wappen anbringen sowie Wappen und Siegel des Klosters. Der 7 m hohe Schwibbogen prägte viele Jahrhunderte lang das Meraner Stadtbild und ist auch auf alten Ansichten zu erkennen.
Zucht und Auseinandersetzung
Um die Zucht zu heben und das Verlassen des Klosters zu erschweren, wurden 1631 die Mauern um das Klostergelände erhöht. Ansonsten ließen sich die Insassinnen aber nicht so leicht einschüchtern: Als der Churer Bischof Johannes von Flugi Mitte des 17. Jhs. verschiedene Rechte wie das der Visitation über das Kloster beanspruchte, verweigerten ihm die Nonnen diese. Die Auseinandersetzung dauerte über 100 Jahre. Beim Einzug des Bischofs 1693 läuteten alle Glocken der Stadt – außer die des Klarissenklosters.
1623 wird als Gründungsdatum einer Mädchenschule angesehen. Laut B. Weber gab es 1640 insgesamt 90 Klosterinsassen. „Darunter nannte man die Frauen italienischer Abkunft Walchinnen. Da sie auch Schule hielten für kleine Mädchen, so waren sie in der Stadt wohlgelitten.“