Im Gespräch mit Annemarie Pircher Friedrich
Nichts befähigt Menschen mehr und nichts beflügelt ihren Willen dauerhafter und stärker, ihr Bestes zu geben, als die Gewissheit, dass ihr Leben und ihre Arbeit einen Sinn haben.
Im Winter 2025 von Eva Pföstl
MS: Frau Prof. Pircher-Friedrich, Sie betonen immer wieder, dass nur wertorientiertes und sinnerfülltes Handeln den unternehmerischen Erfolg garantieren und steigern kann. Was bedeutet dies?
A. Pircher-Friedrich: Menschen sind sinn- und werteorientierte Wesen. Deshalb erkranken Menschen und in der Folge auch Unternehmen und unser gesellschaftliches Umfeld, wenn Sinn und Werte fehlen. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass Sinn salutogenen (gesunderhaltenden) und motivationalen Charakter hat. Die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung zeigen, dass unsere Motivationssysteme aktiv werden, wenn wir Sinnvolles tun. Die Ausschüttung eines Hormoncocktails im Gehirn sorgt dann im Sinne einer Belohnung für Wohlbefinden, optimale Motivation und hat zudem bedeutende salutogene Effekte.
Unternehmen, deren Mitarbeiter den Auftrag, die Nutzenstiftung des Unternehmens kennen, entwickeln ein höheres Maß an Engagement, sind weniger krank und wechseln seltener den Arbeitsplatz. Viele Mitarbeiter gehen zur Arbeit, ohne dass es sie wirklich zu dieser Arbeit hinzieht. Sie gehen zum Geldverdienen und fühlen sich oft dem, was sie tun, nicht verbunden.
Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass die Arbeit dadurch schlecht ist. Aber ohne innere Anteilnahme geht viel Potenzial für die Unternehmen und viel Lebensqualität für die Mitarbeiter verloren.
MS: Unsere Welt hat sich verändert und ebenso die Werte, oder?
A. Pircher-Friedrich: Ja, eindeutig.
Die Werte der jungen Arbeitnehmer der Generationen Y und X haben sich verändert. Verschiedene Klassifizierungen weisen darauf hin, dass diese Generationen, eine gute „Work-Life-Balance“ verfolgen und etwas „Wertvolles“ und „Sinnvolles“ im Beruf anstreben möchten.
Dies führt zu einem Paradigmenwechsel in der Unternehmensführung. Früher hatte der „Macho“ das Sagen unter dem Motto: Ich bin das Maß – ich setze das Maß: ein sogenannter transaktioneller Führungsstil.
MS: Und heute?
A. Pircher-Friedrich: Der neue Führertypus hingegen muss sinnvolle und faire Rahmenbedingungen für Motivation schaffen und die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellen. Fachkompetenz ist wichtig, aber Persönlichkeitskompetenz ist letztendlich entscheidend für den Erfolg. Gerade in der heutigen Zeit, gekennzeichnet von einem permanenten Wandel, braucht es starke, reife Persönlichkeiten, die Orientierung geben und Mitarbeiter durch ihr Vorbild inspirieren. Gefragt ist heutzutage der sogenannte transformationale Führungsstil.
MS: Und wie kann man das formulierte Ziel konkret erreichen?
A. Pircher-Friedrich: Die entscheidende Frage, die sich Führende immer wieder stellen sollten, lautet: „Was kann ich tun, damit es meinen Mitarbeitern gut geht, damit sie die wachsenden Herausforderungen annehmen können und dadurch Sinnvolles für sich selbst, das Unternehmen und die Stakeholder bewirken können?“ So wird die Führungskraft zur Führungspersönlichkeit.
Um das zu schaffen, müssen Führende zunächst an sich selbst arbeiten, d.h. an ihrer persönlichen Entwicklung und einem Selbstentwicklungsprozess als grundlegende Voraussetzung für eine sinnvolle Geisteshaltung – zum Wohle aller. Und dies ist ja letztendlich die Grundlage für Nachhaltigkeit.
MS: Sie sind Dozentin und Coach und treffen täglich auf Führungskräfte und Manager. Wie gehen die Verantwortlichen in Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?
A. Pircher-Friedrich: Ganz unterschiedlich. Es gibt Führende, die als Persönlichkeiten und damit als Vorbilder wirken. Dann gibt es solche, die Sinn und Werte lediglich als neue Tools sehen, was aber nicht funktionieren kann, wenn die Haltung nicht stimmt. Darüber hinaus gibt es immer noch die ewig Gestrigen, die stur an ihren alten Paradigmen festhalten.