Ohren spitzen und lauschen
Im Winter 2025 von Dr. Luis Fuchs
Wenn etwas die Aufmerksamkeit von Tieren, beispielsweise von Hunden oder Katzen, erregt, sagen wir, sie „spitzen die Ohren“. So wie viele Tiere ihre Ohren aufrichten und drehen, wenn sie Geräusche wahrnehmen, konnten das in grauer Vorzeit auch die Menschen, fanden deutsche Forscher heraus. Andreas Schröer, Neurologe an der Universität des Saarlandes, berichtet in science.orf.at, vor rund 25 Millionen Jahren hätten unsere Vorfahren tatsächlich die Ohren und damit die Form ihrer Ohrmuschel verändern können. Mit Hilfe kräftiger Ohrmuskulatur waren sie in der Lage, Geräusche genauer zu lokalisieren. Das saarländische Forscherteam stellte nunmehr fest: Wenn eine Person versucht, sehr aufmerksam zuzuhören, bewegen sich menschliche Ohren auch heute noch kaum merkbar.
Die Leistung unseres Gehörs ist erstaunlich: Mag das Stimmengewirr beispielsweise bei einer Party noch so groß sein, können wir uns trotzdem problemlos auf die Stimme unseres Gesprächspartners konzentrieren. Bezeichnet wird diese Fähigkeit als „Cocktail-Effekt“. Festgestellt wurde auch, dass wir mit dem rechten Ohr überraschenderweise besser hören als mit dem linken. Laut Forschern aus den USA ist dies darauf zurückzuführen, dass alle Höreindrücke vom rechten Ohr direkt in die linke Hirnhälfte geleitet werden. Unter anderem sind dort die Zentren für Sprache und Erinnerungsvermögen untergebracht.
„Die Ohren spitzen“ ist nicht nur eine zufällige Redewendung. Unter dem Titel „Die Ohren des Staates“ befasste sich die Neue Südtiroler Tageszeitung mit dem großangelegten Lauschangriff auf die wichtigsten Landespolitiker durch die Spezialeinheit der Carabinieri ROS (Ragruppamento Operativo Speciale). Hier waren also „Spitzel“ am Werk; in der Gaunersprache ist ein „Spitz“ ein Polizeiagent, der die Ohren spitzt.
Diverse Redewendungen beziehen sich in unterschiedlichen Bedeutungen auf das Wort „hören“. Leute, die „das Gras wachsen hören“, wollen schon aus den kleinsten Anzeichen die Entwicklung der Dinge erkennen. Auf jemanden, der heimlich lauscht, ist die Wendung gemünzt: „Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand“. Zum geflügelten Zitat ist die Verszeile aus Goethes Faust geworden: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“