Drei Schönheitsfehler der US-Verfassung
Im Winter 2025 von Georg Schedereit
Die insgesamt altehrwürdig-vorbildliche US-Verfassung beinhaltet aus unserer heutigen europäischen Sicht allerdings mindestens drei große Schönheitsfehler. Als erster entpuppt sich nun das verfassungsmäßige Recht des Präsidenten, „Strafaufschub und Begnadigung für Straftaten gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren“.
In der Auslegung dieses Begnadigungsrechts gehen jetzt sowohl der neue als auch der scheidende Präsident so weit wie keiner ihrer Vorgänger: Donald Trump hat gleich am ersten Tag seiner neuen Amtszeit rund 1.500 verurteilte Personen begnadigt, die nach seiner Abwahl 2020 seinem Aufruf zum Sturm aufs Parlament gewalttätig gefolgt waren. Und Joe Biden hat auf einen Schlag fast alle aktuellen Todeskandidaten der amerikanischen Haftanstalten begnadigt. Er hat sich aber auch die Freiheit herausgenommen, seinen eigenen Sohn und andere Verwandte sowie leitende Staatsdiener für alle künftig denkbaren Vergehen im voraus zu begnadigen. Damit hat er einige völlig Unbescholtene unangenehm überrascht, denn sie wollen gar als besonders schutzwürdig dastehen gegen allfällige gerichtliche Anfechtungen.
Dass ein US-Präsident sogar sich selbst rückwirkend begnadigt, das war noch nie der Fall. Aber ein Donald Trump und die von ihm ernannten Höchstrichter schließen sogar das genausowenig aus wie eine umfassende Immunität für alle seine Straftaten.
Ernennung der Höchstrichter
Und damit sind wir beim zweiten Schönheitsfehler der amerikanischen Verfassung, das Vorrecht des Präsidenten auf Ernennung der Obersten Richter auf Lebenszeit.
Die erforderliche Zustimmung des Senats zur Nominierung im Weißen Haus ist kein Problem, wenn dort, wie jetzt, die gleiche Partei die Wahlen gewonnen hat.
Das bedeutet: Eine auch nur vier Jahre währende Präsidentschaft kann mit ihrer Partei auf viele Jahrzehnte hinaus die Weichen für die letztinstanzliche Rechtsprechung stellen, personell und damit auch grundsätzlich. Das hat auch letzthin politische Wirkung gezeitigt.
Noch befremdlicher erscheint uns Europäern ein dritter Schönheitsfehler der amerikanischen Verfassung, der vielzitierte zweite Zusatzartikel (2. Amendment), bestehend nur aus diesem einen Satz: „Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.“