Zwischen Belcanto und Verismo
Eine Hommage zum 100. Todestag Giacomo Puccinis
Im Herbst 2024 von Dr. Ferruccio Delle Cave
Giacomo Puccini, an dessen 100. Todestag wir am 29. November erinnern, zählt zu den meistgespielten Komponisten des italienischen Musiktheaters: „Manon Lescaut“, „La Bohème“, „Tosca“, „Madame Butterfly“ und „Turandot“ gehören zum Standardrepertoire eines jeden Opernhauses weltweit. An der Schnittstelle zwischen Tradition und Moderne, zwischen Belcanto und Verismo gelang es dem im Dezember 1858 in Lucca geborenen Puccini, große menschliche Gefühle musikalisch zu beschreiben. Jenseits aller Sentimentalität und vordergründiger Melodramatik fand er eine Musiksprache, die uns bis heute ergreift und mit seinen unsterblichen Figuren mitleiden oder mitfreuen lässt. Puccinis abenteuerliches Leben war von Beginn an bis zu seinem Tod auf die Oper ausgerichtet. Zeit seines Lebens rang er um die musikalische Umsetzung eines unmittelbaren Ausdrucks von Emotion, ausgehend von der Suche nach geeigneten Stoffen und den dazu passenden Libretti bis zum Einsatz verschiedener, teilweise neuer Kompositionstechniken, wie etwa im lyrischen Drama in drei Akten „Turandot“, einer chinesischen Prinzessin als Heldin einer persischen Erzählung aus „1001 Nacht“.
Giacomo Puccini in Meran
Das 1900 eröffnete Stadttheater in Meran wurde 1937 zum „Puccini-Theater“ umgetauft. Die Namensgebung hat aber nicht nur mit den damals drohenden faschistischen Italianisierungstendenzen zu tun, sondern auch mit dem kurzen Aufenthalt des Maestro Puccini in Meran. Mitte August 1923 fuhr Giacomo Puccini von seinem Wohnsitz Viareggio mit seinem neuen Lancia-Wagen nach St. Moritz, von da an über den Vinschgau und Meran, das er am 23.8.1923 besuchte. Fast genau ein Jahr zuvor war Puccini mit seinem neuen Wagen über Verona nach Bozen und dann nach Cortina, Franzensfeste, Innsbruck zu den Passionsspielen Oberammergau gereist. In diesen Tagen erhielt er auch sein neues Auto, einen Lancia-Achtzylinder, den ,,Trikappa”, der 90.000 Lire kostete, immerhin rund die Hälfte seiner Einkünfte des Jahres 1923. Am 1. Februar 1923 wohnte er in Mailand der Aufführung seiner „Manon Lescaut” unter Toscanini bei. Der Komponist erlebte 1922-23 ein ständiges Hin und Her zwischen einem überwältigenden Ruhm und der Sorge über das Altern. Er arbeitete daneben frenetisch an „Turandot”, seinem großen Alters- und Meisterwerk: Nein! nein! nein! ‘Turandot’ nein! Ich habe einen Teil des dritten Akts. So geht es nicht. … Ich will nicht sagen ‚So sterb’ ich in Verzweiflung’, aber es fehlt wenig daran. Ich bin ein armer ganz trauriger Mann, enttäuscht, alt, nichts, niedergeschlagen. Was tun? vermerkt er am 3. Juni 1923 in seinem Tagebuch. Anfang Mai unternimmt er mit seinem neuen Wagen eine Kurzreise über Udine und Tarvis nach Wien zur lang ersehnten ersten Manon-Inszenierung an der Staatsoper. Puccini genießt das Wiener Musikleben. Den Sommer verbringt der Maestro in Viareggio, arbeitet an der „Turandot”, die unvollendet bleiben wird. Im ereignisreichen Leben Puccinis bleibt es bei einem Kurzbesuch in Meran, ein folgenreicher freilich, denn 1937 wurde das altehrwürdige Stadttheater in „Teatro Puccini” umgetauft.
Die Meraner Theater- und Operntradition
Meran weist eine mehr 500-jährige Theater-Tradition auf. Schon unter Sigmund dem Münzreichen (1446-1490) traten Spielleute und Sänger in der „Landesfürstlichen Burg“ auf. Auch die sakralen Spiele im 16. Jahrhundert knüpfen an diese Tradition an, so das „schön christlich schauspiel“ des „Letzten Gerichts“ von 1521 vor den Toren der Nikolaus-Pfarre. In den Räumen des Schreyögg-Hauses unter den Lauben spielten die Studenten ab 1801 in einem Raum, der vom Cafetier Jordan zur Verfügung gestellt wurde: das „Rosengartentheater“ fasste bis zu 320 Zuschauer. Im November 1874 wurde dann im heutigen „Pavillon des Fleurs“ im Meraner Kurhaus eine zerlegbare Bühne mit acht Metern Tiefe und 13,5 Metern Breite angelegt. Das gesellschaftliche Leben veränderte sich einschneidend ab 1880. Der internationale Kurtourismus verlangte nach Konzerten, Bällen, Vorträgen, Theater, Kongressen und sportlichen Events. 1884 wurde ein Theaterbaukomitee gegründet, das das Wiener Architekturbüro Fellner&Helmer mit der Planung eines neuen Theaters betraute. 1898 ergab eine allgemeine Volksabstimmung im Auftrag von Bürgermeister Weinberger eine Mehrheit für den Bau eines neuen Stadttheaters. Schließlich wurde der Münchner Architekt Martin Dülfner 1899 mit der Ausführung des Baus beauftragt. Nach nur 14 Monaten wurde das kleine Schmuckstück im Jugendstil am 25. November 1900 fertiggestellt. Am 1. Dezember 1900 gab es zur feierlichen Eröffnung Goethes „Faust“ und Beethovens Festouvertüre „Die Weihe des Hauses“ op. 124. Zu den Opern, die in Meran aufgeführt worden sind, gehörten auch Belcanto-Opern wie „Cavalleria rusticana“ von Pietro Mascagni und Georges Bizets „Carmen“. Namhafte Sängerinnen und Sänger bestritten ihre Rollen im Meraner Stadttheater, so die italienische Sopranistin Lia Migliardi vom „Teatro Regio“ Turin, Paradesängerin in Puccinis „Manon Lescaut“1904 in einem Gastspiel der „Italienischen Operngesellschaft“ unter der Leitung von Francesco De Angelis. In der Saison 1910/11 gab es unter anderem Giacomo Puccinis „Madame Butterfly“ und „La Bohème“. Die Stagione 1927 verzeichnete Puccinis „Tosca” und „Madame Butterfly”.