Geopolitische Interessenverlagerung
Im Winter 2024 von Georg Schedereit
Die eher verlustreichen als glorreichen Militäreinsätze der letzten Jahre halten die neue US-Regierung von weiteren solchen teuren Abenteuern ab. Aber der NATO muss sie treu bleiben: 2/3 der Befragten ist dafür, das Verteidigungsbündnis mit Europa beizubehalten wie bisher oder gar zu verstärken.
Aber wo es um die Lastenverteilung geht, da sind sich die Amerikaner jetzt so einig wie selten: Wir Europäer sollen selber viel mehr als bisher für unsere Sicherheit tun – und dazu gehört auch, uns gegen Bedrohungen zu wappnen, die uns nahe kommen, nicht den USA, siehe Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Staaten, speziell Supermächte handeln letztlich eher gemäß Interessen als gemäß Ideologien.
Insofern ist Europa inzwischen für die USA geopolitisch nicht annähernd so viel Wachsamkeit wert wie Asien und BRICS-Staaten wie China, Indien und Russland. Geschichtliche und kulturelle Nähe spielt natürlich auch noch eine Rolle. Von den 21 Nationen, nach deren Sympathiewerten die Amerikaner regelmäßig befragt werden, steht Nachbar Kanada an der Spitze, vor den ehemaligen Kolonialherren Großbritannien und Frankreich, und dann – eher überraschend – Weltkriegsgegner Japan vor Deutschland. Nach Italien wird gar nicht gefragt. Rom wird halt in Washington nicht so ganz bierernst genommen. Das gilt leider auch für die EU als Ganzes. Wirtschaftlich und geopolitisch ist es das enorm aufstrebende Asien, das heute unvergleichlich mehr die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit Amerikas erfordert.